Die Zukunft der Zeitzeugen

"Die Zukunft der Zeitzeugen" - ein Projekt von Jugend für Dora e.V.



Projektvorstellung und Diskussion:

Donnerstag, den 18. November um 19.30h
in der Villa ten Hompel, Kaiser-Wilhelm-Ring 28, Münster


Zum Projekt:

Seit geraumer Zeit wird darauf hingewiesen, dass die erinnerungskulturelle Praxis vor einem Bruch steht, da die Zeitzeugen der nationalsozialistischen Massenverbrechen und des Holocaust in absehbarer Zukunft nicht mehr unter uns weilen werden. Der Zeitpunkt rückt näher, an dem keiner der ehemals Verfolgten mehr mit eigenen Erinnerungen zur Auseinandersetzung mit diesem Teil der Vergangenheit beitragen kann.
In der Auseinandersetzung mit NS-​Verbrechen stehen Institutionen und MultiplikatorInnen vor neuen Fragen bezüglich der Zukunft der Erinnerung. Zum Beispiel: Wie kann Erinnerung an die NS-​Verbrechen überhaupt aussehen? Wie werden Jahrestage und Gedenkveranstaltungen gestaltet, an denen keine Überlebenden teilnehmen? Sind Gespräche mit Zeitzeugen zu „ersetzen“?
Bereits seit Jahren sind in den Organisationen und Lagergemeinschaften der Überlebenden nur noch wenige aktiv, die selbst Opfer von NS-​Verbrechen geworden sind. An ihre Stelle sind oftmals die Kinder der ehemaligen Häftlinge oder engagierte Dritte getreten.
Fragen und Entwicklungen solcher Art werden vor allem in einem akademischen Kontext diskutiert. So oft dabei auf die Tragik hingewiesen wird, dass es bald keine Überlebenden mehr geben wird, so selten scheinen bei der Suche nach Antworten diejenigen beteiligt zu werden, um die es dabei geht: Die damaligen Opfer selbst.

Mit dem Projekt „Die Zukunft der Zeitzeugen“ verbindet der Verein Jugend für Dora e.V. das Ziel, die Überlebenden in diese aktuellen Diskussionen einzubeziehen. Sie sollen dabei nicht – wie so häufig – ausschließlich als TrägerInnen oder VermittlerInnen von Erinnerungen betrachtet werden. Wir sehen in ihnen vielmehr aktive GestalterInnen einer Zukunft, in der die Auseinandersetzung mit der von ihnen erlebten Vergangenheit nach wie vor überaus wichtig ist.
Um diese persönlichen Erfahrungen der Überlebenden zu würdigen, haben wir eine Videodokumentation erstellt, welche es ermöglichen soll, ihr Schicksal kommenden Generationen zu vermitteln und zugänglich zu machen. Die Interviews dokumentieren aber auch – und auf diesem Aspekt liegt der Schwerpunkt des Projektes – welche Erwartungen, Vorstellungen und Wünsche unsere GesprächspartnerInnen im Hinblick auf ein zukünftiges Gedenken und eine Zukunft der Erinnerung haben.

Für das Projekt „Die Zukunft der Zeitzeugen“ haben Mitglieder von Jugend für Dora e.V. und assoziierte Freunde und Freundinnen 15 Überlebende des KZ Mittelbau-Dora und anderer Lager in ihrer heutigen Heimat besucht. Die Reisen führten dabei nach Belgien, Frankreich, Israel, Italien, Polen und in die Ukraine. Das Konzept des Projekts sah es vor, einige Tage mit den InterviewpartnerInnen zu verbringen, um ihre persönliche Geschichte, ihre gegenwärtige Lebenssituation und ihre Wünsche für die Zukunft ohne Zeitdruck und mit Raum für Reflexion zu thematisieren.

Die Projektergebnisse liegen nun als DVD und Begleitbroschüre vor. Um die Ergebnisse der Gespräche mit den ehemaligen Häftlingen analysier- und vergleichbar zu machen, wurden die Aussagen unserer InterviewpartnerInnen auf den DVDs nach thematischen Clustern sortiert. Diese bieten eine erste Struktur, um sich mit den Aussagen der Überlebenden zu beschäftigen. In der Broschüre finden sich zu jedem/r unserer InterviewpartnerInnen biographische Angaben sowie eine kurze Zusammenfassung des Interviews zur „Zukunft der Zeitzeugen“.
Die in der Broschüre nachzulesende Zusammenfassung über die Vorstellungen der Überlebenden zu einer zukünftigen Erinnerung kann nur einen ersten Einblick in die vielschichtigen Ergebnisse und Perspektiven des Projektes anbieten sowie zentrale Fragestellungen aufzeigen, die einer intensiven weiteren Beschäftigung bedürfen. Das Projekt ist daher für uns noch nicht abgeschlossen, sondern kann als „work in progress“ verstanden werden. Derzeit ist eine weitere Nutzung der Interviews, beispielsweise im Rahmen pädagogischer Materialien, in Planung.
Innerhalb dieses Prozesses stellt auch die Bekanntmachung des Projektes und dessen Ergebnisse an eine interessierte Öffentlichkeit einen wichtigen Bestandteil dar; Ziel ist es, MultiplikatorInnen unter direkter Einbindung des Dialogs mit ehemaligen KZ-Häftlingen für dieses Thema zu sensibilisieren und gemeinsam Formen für eine Zukunft der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus zu finden.
Weitere Informationen finden sich hier.