"...daß Auschwitz nicht noch einmal sei..."

Gedenkspaziergang anlässlich des Jahrestages der Reichspogromnacht

70 Jahre werden am 9.November 2008 seit der Reichspogromnacht vergangen sein. An diesem Datum erreichte das Ausmaß der direkten physischen Gewalt gegenüber deutschen Juden und Jüdinnen ein bis dato nicht gekanntes Ausmaß. Auch in Münster wurden an diesem Tag im staatlichen Auftrag, von höchster überregionaler Stelle organisiert Menschen aufgrund ihrer jüdischen Herkunft überfallen, physisch und psychisch gequält. Die Synagoge, Ort des jüdischen kulturellen, sozialen und religiösen Lebens wurde ebenso wie zahlreiche Privatwohnungen und Geschäfte, welche sich im Besitz von Juden und Jüdinnen befanden, zerstört. Die Reichspogromnacht markiert durch die physische Brutalität, mit der gegen Menschen und ihr Eigentum vorgegangen wurde, eine wichtigen Schritt in dem in seinem Ausmaß unvorstellbaren und einmaligen antisemitisch motivierten Entwicklungsverlauf von allmählicher Entrechtung bis hin zu der Vernichtung von sechs Millionen Menschen:
Voraus gingen der Reichspogromnacht diskriminierende Gesetze, welche die Münsteraner ebenso wie die reichsweit lebenden Juden und Jüdinnen der Möglichkeit beraubten, ein menschenwürdiges soziales, kulturelles und wirtschaftliches Leben zu führen. Diese diskriminierenden Regelungen wurden nach der Reichspogromnacht immer weiter verschärft, bis die jüdische Bevölkerung gänzlich entrechtet war. Diese Entwicklung gipfelte in der Shoah: Der organisierten, industriell durchgeführten Vernichtung, welche nur aufgrund eines reibungslos arbeitenden behördlichen und logistischen Erfassungs-, Deportations- und in der Verachtung des menschlichen Lebens einmaligen Tötungsapparates „funktionierte“.
Die Reaktionen der deutschen, nicht-jüdischen Bevölkerung sowohl auf die ersten diskriminierenden Gesetze als auch auf die Deportationen und das Wissen um die Vernichtungslager war in größten Teilen nicht nur von einer handlungsbezogenen Passivität, sondern auch von einer emotionalen Gleichgültigkeit geprägt. So beschreibt Jean Amery, dass er, sich in einem deutschen Bahnhof in einem Deportationszug befindend, in kein einziges schmerzerfülltes, mitfühlendes Gesicht auf Seiten der nicht-jüdischen Bahnreisenden blickte.


Zerstörte Schaufenster nach den Pogromen

Der Gedenkspaziergang soll an die antisemitische Ausgrenzung, Entrechtung und Vernichtung während des Nationalsozialismus in Münster erinnern. Dies in dem Bewusstsein der Notwendigkeit der Erinnerung, aber auch im Bewusstsein, dadurch die Diskriminierungen nicht ungeschehen werden zu lassen, die Ermordeten nicht zum Leben erwecken zu können, die einmalige Schuld der deutschen Nation nicht abtragen zu können, nie abtragen zu können. Dies in dem Bewusstsein eines auch heute bestehenden Antisemitismus, welcher Menschen in ihrer Existenz bedroht und auch in jüngster Vergangenheit Leben kostet.

Sonntag, 09. November 2008 um 15h am Rathaus/ Prinzipalmarkt, Münster