Ausstellung: Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma


Vom 22. April bis zum 04. Mai wird im Foyer des Fürstenberghauses am Domplatz in Münster die Ausstellung "Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma" zu sehen sein.
Im Anschluss an die Eröffnungsveranstaltung am 22. April um 20h im Fürstenberghaus wird Antia Awosusi vom Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma eine Führung durch die Ausstellung anbieten.



Ausgehend von konkreten Einzelschicksalen wird die Vernichtungspolitik gegenüber den Roma und Sinti während des Nationalsozialismus nachgezeichnet: von der systematischen Ausgrenzung bis hin zum bürokratisch organisierten Massenmord. Diese Wanderausstellung des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma eröffnet die seltene Möglichkeit, eine Auseinandersetzung mit dem in der historischen Betrachtung und der Erinnerungskultur oftmals vernachlässigten Menschheitsverbrechen zu führen.
Nähere Informationen zur Ausstellung finden sich auf der Website des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma.

Zusätzlich zur Ausstellung gibt es folgende Veranstaltungen:

Freitag | 24.04.09 | 18h | Hörsaal F6, Fürstenberghaus, Domplatz 20-22, Münster

Ein Vierteljahrhundert Bleiberechtskämpfe von Roma in der BRD - zwischen staatlichen Einschränkungen und Selbstbehauptung

Vortrag und Diskussion mit Djevdet Berisa (Hannover) und Kathrin Herold (Bremen)

Die Tatsache, dass in nahezu allen Staaten Europas Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zur Minderheit der Roma und Sinti diskriminiert oder verfolgt werden, sollte nicht überdecken, dass seit Jahrzehnten in mehreren europäischen Ländern Selbstorganisationen der Roma und Sinti aktiv für die Durchsetzung elementarer Menschenrechte kämpfen.
Kathrin Herold wird in ihrem Vortrag eine Hochphase der Roma-Bleiberechtsbewegung Ende der 1980er/ Anfang der 1990er Jahre beleuchten, in der sich in Hamburg Roma organisierten und mithilfe spektakulärer Aktionen wie der Besetzung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme versuchten, Öffentlichkeit für die anhaltenden Diskriminierungen zu schaffen und Abschiebungen nach Jugoslawien und Rumänien zu stoppen. Der Umgang der Behörden mit den Protestierenden, die politisch katastrophale Entscheidung der Jahre 1992/93, das Grundrecht auf Asyl faktisch abzuschaffen, und die Reaktionen von Medien und Zivilgesellschaft sollen auf ihre Rolle und Deutungen hin befragt werden.
Djevdet Berisa wird die aktuellen Mobilisierungen seit 2000 beschreiben, die als einen Protestfokus die regelmäßig stattfindenden Innenministerkonferenzen gewählt haben. Insbesondere anhand der Gruppe der Roma-Flüchtlinge aus dem Kosovo lassen sich die Auswirkungen sowohl der Statusverhandlungen als auch der neuen asylrechtlichen Regelungen in Deutschland aufzeigen. Hierbei wird deutlich, wie Kettenduldungen und andere Einschränkungen Betroffene massiv in Handlungsunfähigkeit und Perspektivlosigkeit drängen.
Die Wege, die Roma trotzalledem beschreiten, um ihren Forderungen eine Stimme zu geben, sollen nicht nur vorgestellt, sondern können zudem gemeinsam diskutiert werden.
Djevdet Berisa ist Gründungsmitglied und Vorsitzender des Vereins Romane Aglonipe e.V.,
Delegierter im Forum der Roma, Ashkali und Ägypter bei der GfbV, Mitinitiator des
Roma-Forum in Niedersachsen.
Kathrin Herold ist AntiRa-Aktivistin, wissenschaftliche Autorin und Gedenkstättenpädagogin.

Beide haben Beiträge für den im April 2009 erscheinenden Sammelband "Antiziganistische Zustände - Zur Kritik eines allgegenwärtigen Ressentiments" verfasst. (Hrsg. von Markus End, Yvonne Robel und Kathrin Herold; Unrast, Münster, 2009).


Mittwoch | 29.04.09 | 18h | Hörsaal F4, Fürstenberghaus, Domplatz 20-22, Münster

Der Antiziganismus und die Frage nach seinem Fortbestehen in Deutschland nach 1945

Vortrag und Diskussion mit Tobias von Borcke, Jugendgeschichtswerkstatt Münster

Antiziganismus – dieser Begriff, der die Feindschaft gegenüber Sinti und Roma sowie das vermeintliche, klischeehafte Wissen über diese meint, ist wenig geläufig. Im Vortrag soll es deshalb zunächst darum gehen, die unterschiedlichen Dimensionen des Begriffs zu entfalten. Die historische Entwicklung des „Zigeunerstereotyps“ (Wulf D. Hund) soll dabei ebenso in den Blick genommen werden wie seine spezifischen Inhalte und seine gesellschaftliche wie individuelle Funktion. Um den Antiziganismus verstehen zu können, ist es wenig hilfreich, sich mit den Sinti und Roma und ihren Gepflogenheiten auseinander zu setzen. Das Bild des „Zigeuners“ beruht nicht auf irgendwelchen tatsächlichen Eigenschaften dieser Gruppe. Ein Denken, dass die den „Zigeunern“ zugerechneten Individuen auf ein seit Jahrhunderten tradiertes Klischee festlegen will, spricht vielmehr Bände über die Gesellschaft, in der das Bedürfnis nach einem solchen Denken überhaupt entsteht. Dass die Vorstellungen vom „Zigeuner“-Leben häufig romantisch und auf den ersten Blick verlockend wirken, sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass die aggressiveren Varianten des Stereotyps, dass also Ausgrenzung, Verfolgung und in der Konsequenz Mord, nur die andere Seite derselben Medaille sind.
Ergänzend zur Ausstellung über den nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti und Roma scheint es darüber hinaus angebracht, nach der fortgesetzten Existenz des Antiziganismus in der vermeintlich von nationalsozialistischem Denken geläuterten Bundesrepublik zu fragen. Hat es nach dem Ende des „Dritten Reichs“ ein grundlegendes Umdenken in diesem Punkt gegeben oder ist von einem Fortwirken der alten Vorstellungen im Alltagsbewusstsein und den gesellschaftlichen Institutionen auszugehen?